Editorial
Was erfährt man wohl über die Iren, wenn man die Insel über ihre Gärten entdeckt? Diese Frage führte uns in Landschaften, die so vielfältig sind, als würde der Wind in einem Bilderbuch blättern. Ob der Boden fruchtbar ist wie im Südosten oder felsig wie im Südwesten - Gärten gibt es überall, auch an den extremsten Standorten. Viele Iren sind so pflanzenverrückt, dass sie sich einen Sport daraus machen, auch das ärmste Fleckchen Land zum Blühen zu bringen - und wenn sie dafür Pflanzlöcher in den Fels sprengen müssen. Das ist kostspielig; und Geld für einen Ziergarten können die meisten Gartenfreunde auf der Insel erst seit den 1990er-Jahren ausgeben. Die irische Gartenkultur der Nachkriegszeit ist also relativ jung.
Sehr viel älter ist die Geschichte, die die historischen Gärten erzählen: Diese grandiosen Terrassengärten und Arboreten stammen aus einer Zeit, da Irland unter britischer Herrschaft stand. Die aristokratischen anglo-irischen Besitzer hatten für treue (Kriegs-)Dienste von der englischen Krone grosse Ländereien erhalten. Nicht selten wurden unliebsame irische Grundbesitzer dafür enteignet und umgesiedelt - etwa in die kahle Karstlandschaft des Burren. Diese ist für Forscher heute ein Paradies, denn nirgendwo sonst in Europa leben mediterrane und arktische Alpenpflanzen in grösserer Vielfalt zusammen.
Bunten Artenreichtum entdeckten wir auch in vielen privaten Gärten. Das milde Klima, die lange Vegetationszeit und die hohe Feuchtigkeit bewirken, dass Beete und Blumenbänder vor lauter Üppigkeit überzufliessen scheinen. Irische Gärtner haben immer alle Hände voll zu tun. Doch sie sehen das nicht als Arbeit, sondern als positives Lebensgefühl und als Hohelied der Natur.
Und nun wünschen wir Ihnen schöne Entdeckungen auf der Garteninsel Irland.
Simone Quast und Gianni Bombèn