Editorial
Wie kommt man zu einem Garten?
Indem man erst gar nicht daran denkt, einen Garten zu schaffen.
Dieses anfängliche Desinteresse verbindet die Besitzer von zwei bemerkenswerten Gartenanlagen in der Provence: Beide Gestalter wurden erst spät vom Gartenvirus erfasst, widmeten sich dann aber zunehmend liebevoll und inspiriert ihren Gärten – schnell keimte auch Detailwissen, wo lange Zeit Gartenzurückhaltung dominierte: «Früher hätte ich die Bäume sogar mit den Wurzeln nach oben eingepflanzt», bestätigt Bauunternehmer Alain Stroppiana seine anfängliche Unwissenheit und blickt dabei auf seinen eindrücklichen Wassergarten, den er in den letzten 15 Jahren mit zunehmender Leidenschaft, selbst beigebrachtem Wissen und unendlicher Geduld geschaffen hat. Verblüffend ist dabei das unorthodoxe Vorgehen von Alain Stroppiana: In einer Gegend, in welcher Obstplantagen bisher die einzige Gartenform darstellten, wird der reine Vergnügungsgarten – un jardin pour se faire plaisir – zu einer besuchenswerten Kuriosität.
Kurios war auch der Befall mit dem Gartenvirus beim Künstler Max Sauze: Erst eine in sich zusammengefallene Mauer animierte ihn dazu, sich mit der Fläche hinter seinem Atelier auseinanderzusetzen. Von der kunstsinnigen Reparatur der Trockensteinmauer zu einem Künstlergarten gestaltete sich der Übergang fliessend. Max Sauze betrachtet sich nach wie vor als Gast in seinem grünen Reich, pflegt es aber gleichzeitig mit hingebungsvoller Lust: Sämtliche Eingriffe bettet er geschickt in seine Aktivitäten ein: Das tägliche Meditieren erfolgt fegenderweise und Gartenarbeit wird nicht selten zu einem Kunstwerk an der Pflanze.
Ohne Zweifel sind die Gärten im Süden von viel Sonne geküsst. Und mit Sicherheit muss man gartentechnische Details berücksichtigen, wenn man in der Hitze der Provence einen Garten anlegen will. Vielleicht zeigen uns diese beiden Beispiele aber auch, dass mit «Gärten der Sonne» einfach die Freude und die Leidenschaft für den eigenen Garten gemeint sein kann. Für einen Garten, der einem, wie der erste Sonnenstrahl am Morgen, ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht zaubert.
Und nun wünschen wir Ihnen eine sonnendurchflutete Lektüre.
Simone Quast und Gianni Bombèn